Maria entdeckt ihre Kräfte by Spectator 2 Ein kleines Mädchen merkt, dass sie einige ganz spezielle Fähigkeiten hat. "žFang mich" rief Maria ihrem Kindermà¤dchen Lola zu. Die stà¶hnte. Es war kein einfacher Job, diese durchtriebene Fünfjà¤hrige zu betreuen. Zusà¤tzlich musste Lola auch noch aufpassen, dass Maria ihre Kleidung nicht beschà¤digte. Ein langer Rock war für Fangen spielen und Auf-Bà¤ume-Klettern denkbar ungeeignet und immer konnte sie die Tochter der Herrin nicht dazu zwingen, zu Hause zu bleiben und brav zu sein. Maria schoss um die Ecke. Ihre FüàŸe schienen kaum den Boden zu berühren und ihr Rock hob sich deutlich. Ihre schwarzen Haare flogen wild durch die Luft. Lola seufzte und rannte hinterher, doch der Abstand wurde grà¶àŸer und grà¶àŸer. Nicht nur war das Frà¤ulein schon so groàŸ wie sie, sie war auch stà¤rker und schneller, und seit sie das herausgefunden hatte, zeigte sie es den ganzen Tag. Lola wusste, dass es einmal kommen würde, aber musste es so bald sein? Maria drehte sich um und grinste, als sie das Kindermà¤dchen allmà¤hlich aus der Puste kommen sah. Sie beschleunigte erneut, dann riss sie plà¶tzlich die Arme hoch und stieàŸ sich mit den FüàŸen ab. Ihre Bluse beulte sich nach hinten aus, wà¤hrend sie in die Hà¶he stieg. Da plà¶tzlich riss die Bluse und zwei gewaltige Flügel kamen zum Vorschein. Maria erhob sich in die Luft, flog weiter in dieselbe Richtung, dann drehte sie, stieg auf und sauste knapp hinter Lola herunter. "žHallo, hier bin ich!", schrie sie und streckte Lola ihren FuàŸ entgegen. Das Kindermà¤dchen griff danach, doch Maria zog ihn blitzschnell weg und stieg mit einem Flügelschlag hà¶her in die Luft. Gerade so hoch, dass ihre FüàŸe auàŸerhalb der Reichweite von Lolas Armen waren, selbst wenn diese sprang, kreiste sie um das Mà¤dchen. "žSchau mal! Ich kann fliegen! Kannst du das auch?", kreischte sie begeistert und, als ob es noch einen Beweis für ihre Fà¤higkeit gebraucht hà¤tte, raste sie schrà¤g nach oben der Sonne entgegen. Lola setzte sich erschà¶pft hin. Sie musste das der Herrin sagen. Eines war klar: Wenn Maria auch noch fliegen konnte, war sie ihr über. Da war es im Vergleich eine Kleinigkeit, dass die Bluse komplett zerrissen war und das Frà¤ulein halbnackt herumlief beziehungsweise herumflog. Um diese Zeit aber hielt die Herrin Mittagsschlaf und der Herr war aushà¤usig. Sie musste hoffen, dass das Mà¤dchen irgendwann landen würde. Maria sah aus etwa 1000 Ellen Hà¶he auf die Güter ihrer Eltern. Vom Berg, der Monte Alba hieàŸ, bis zur Grenze des Urwalds gehà¶rte ihnen alles und alle Menschen, die hier lebten, arbeiteten für sie. Maria fand, dass sie das alles kennen lernen musste. Erst seit einer Woche wusste sie, dass sie fliegen konnte und seit fünf Tagen konnte sie ihre Bewegungen in der Luft genau so gut koordinieren wie auf der Erde. Bisher hatte sie es geheim gehalten, doch einige Male hatte sie sich schon aus der Luft umgesehen. Sie fand es leichter, sich so zu orientieren als auf der Erde. Den Plan der riesigen Hacienda hatte sie fast im Kopf. Sie schaute genauer hin und ihr kam vor, als ob alles grà¶àŸer würde: Der Palast mit seinen Hà¤usern und Gà¤rten, seinen Springbrunnen, deren Rauschen sie noch hier oben hà¶rte und der Allee, durch die manchmal die Gà¤ste in Kutschen fuhren. Sie achtete auf Einzelteile und suchte nach Lola. Dort saàŸ sie und schaute gar nicht mehr in den Himmel. Unter dem Palastlagen die Felder, auf denen Mais, Kaffee und Zuckerrohr angebaut wurde. Hinter ihrem Palast begann Weideland. Sie schaute sich einzelne Kühe und Schafe genauer an und blickte dann wieder auf das Panorama. Am Ende des Weidelands begann der Urwald und dort hà¶rte sie ein Klopfen. Einige Mà¤nner standen an einem Baum und schlugen mit einem Gegenstand dagegen. Was sollte das? Sie begab sich in den Sinkflug und wollte die Mà¤nner fragen, doch da fiel ihr ein, dass sie nackt war. So flog sie statt dessen zum Innenhof des Palastes. Ihr Fenster stand offen und niemand sah ihr zu. Spitze, so konnte sie unbemerkt eine neue Bluse holen. Erst einmal war es ihr gelungen, die Flügel auszubreiten, ohne ein Kleidungsstück zu zerreiàŸen. Leichter war es, so viel hatte sie schon herausgefunden, die Bluse anzuziehen, wà¤hrend die Flügel schon ausgebreitet waren. Genau das tat sie jetzt und schwebte neu bekleidet aus dem Fenster. Bis zum Urwald waren es fünf Meilen und Maria flog vorsichtig, um nicht schon wieder eine Bluse zu zerreiàŸen. Dennoch schaffte sie es in zwanzig Sekunden. Sie war die Strecke schon einmal gelaufen, da hatte sie in derselben Zeit nur die Hà¤lfte geschafft. Sie kreiste über den Mà¤nnern, die erstaunt nach oben sahen. Dabei schaute sie genauer zu: Die Mà¤nner sà¤gten an den Bà¤umen, bis diese umfielen. Danach schlugen sie mit den schweren Eisenhà¤mmern die à„ste ab und hoben die Stà¤mme auf einen Wagen. Dabei schwitzten sie fürchterlich. Maria konnte das alles nicht verstehen. Die Stà¤mme waren nicht viel dicker als der Baum, den Lola einmal ausgerissen hatte, als sie sich geweigert hatte, herunterzusteigen. Damals konnte sie noch nicht fliegen und hatte es gerade noch geschafft, auf die FüàŸe zu fallen. Ja, Lola hatte sich anstrengen müssen, aber so stark war Lola nicht - im Armdrücken hatte Maria sie schon besiegt. Sie landete neben den Mà¤nnern. "žWas macht ihr da? Das geht doch viel leichter!", bemerkte sie altklug. Die Mà¤nner lachten laut auf. "žWillst du mal sà¤gen, Mà¤dchen?", fragte einer, ein groàŸer, krà¤ftiger Schwarzer. Maria reichte ihm nur bis zum Kinn und mit seinen muskulà¶sen Armen sah er wie die Kraft in Person aus. Er gab ihr die Axt in die Hand in der Erwartung, dass dieses seltsame Wesen sie nicht einmal richtig schwingen konnte. "žBrauch ich nicht", flà¶tete Maria, packte einen Baum mit ihren Hà¤nden und riss ihn aus dem Boden wie andere einen Grashalm. Danach riss sie die à„ste und Wurzeln ab. "žHe du fliegender Waldgeist, du kannst uns helfen!", spottete der Schwarze, wà¤hrend die anderen erschraken. "žKannst du auch glatte Flà¤chen hinkriegen?" Das konnte kaum schwerer sein als einen Stein flach zu drücken. Nein, es war viel leichter. Maria drückte ihre Handflà¤chen gegen die Stümpfe und die Flà¤chen waren ebenso flach wie gesà¤gte. Sie hob den Baum hoch und trug ihn den Weg entlang, als ob es ein leichter Stock wà¤re. Auf dem groàŸen Holzhaufen legte sie ihn hin. "žSo macht man das!" Nun erschrak auch der Schwarze. "žDas ist der Teufel!", schrie jemand. "žWer? Ich? Das sagt man nicht!", schrie Maria wütend. Sie wusste, dass der Teufel etwas ganz schlimmes war und wollte die Beleidigung bestrafen. Sie schlug den Mann mit der Faust in den Bauch - nicht besonders stark, aber er flog hundert Ellen durch die Luft und brach sich mehrere Knochen. Die Mà¤nner fielen auf die Knie. "žBitte - lass uns! Nicht schlagen!" "žGut! Ich lasse euch! Aber mein Vater soll andere die Bà¤ume fà¤llen lassen, nicht solche Schwà¤chlinge wie euch!", antwortete sie gnà¤dig. "žAdios!" Vorsichtig schob sie ihre Flügelansà¤tze nach oben, nachdem sie die oberen Knà¶pfe ihrer Bluse geà¶ffnet hatte. So konnte sie ihre Flügel aus der erweiterten Kragenà¶ffnung strecken. Uff! Diesmal war die Bluse ganz geblieben. Maria schwebte über dem Palast und suchte nach Lola, doch die musste inzwischen hinein-gegangen sein. Sie sah noch einmal genauer hin und plà¶tzlich verschwanden die Mauern und Dà¤cher und sie sah ein Chaos aus Stein, Holz und Metall. Sie flog hinunter und hà¶rte etwas krachen. Als sie hinsah, stellte sie fest, dass sie mit der Faust gegen das Gelà¤nder der Loggia im Innenhof gestoàŸen war und es zerstà¶rt hatte. Sie landete auf dem Boden, als plà¶tzlich ihre Mutter neben ihr stand. Die Mutter war gemeinsam mit Lola aus der Tür getreten und sah Maria scharf an. "žMà¤dchen, was hast du gemacht?", fragte sie tadelnd. Dabei sah sie Maria fest in die Augen. Maria wollte zuerst nichts sagen, doch dann gab sie zu, dass sie am Urwald gewesen war. Von ihrer kleinen Demonstration von Stà¤rke sagte sie nichts. "žNein, du kannst nicht fliegen! Niemand kann fliegen! Alles Einbildung!" sagte die Mutter mit fester Stimme. Maria war sich sicher, dass sie geflogen war, doch je à¶fter die Mutter den Satz wiederholte, desto mehr zweifelte das Mà¤dchen daran. Vielleicht hatte sie wirklich nur getrà¤umt. Hatte sie sich nicht immer gewünscht, zum Urwald zu kommen? Am nà¤chsten Tag dachte sie immer noch an den seltsamen Traum, dass sie geflogen war. Aber wie sollte das gehen? Sie hatte doch nicht plà¶tzlich Flügel bekommen?! Sie konnte sich noch erinnern, dass sie im Sturzflug die Loggia zerbrochen hatte. Sie sah aus ihrem Zimmerfenster: An der Loggia war keinerlei Schaden. Nein, sie hatte sicher nur getrà¤umt. Die nà¤chsten Tage verliefen wie gewohnt, das heiàŸt, wie Tage verlaufen waren, bevor Maria gelernt hatte zu fliegen. Sie war zwar oft brav in ihrem Zimmer und las - sie konnte, obwohl sie erst seit kurzem gelegentlich unterrichtet wurde, schon recht flüssig lesen und schreiben und auch gut rechnen. Dazwischen spielte sie aber auch mit Lola Verstecken und manchmal versuchte sie, ihr zu entwischen. Sie blieb schneller als das Dienstmà¤dchen und fing Lola immer wieder, wà¤hrend diese keine Chance hatte. Einmal entkam Maria in Richtung Fluss. Vor den Obstplantagen fiel der Berg steil ab. Maria hatte es irgendwie im Kopf, dass das so war, obwohl sie noch nie so weit von zu Hause weg war, doch als sie schneller als das schnellste Pferd herunter lief, übersah sie die Bà¶schung und stürzte darüber. Sie ruderte mit den Armen, als sie in der Luft lag und plà¶tzlich schien der Boden sich zu entfernen. Da spürte sie etwas an ihrem Rücken. Sie drehte sich um und sah, dass ihr Flügel gewachsen waren. Sie schlug damit und stieg auf. Nun sah sie auch klarer: Nein, sie hatte nicht getrà¤umt, sie konnte wirklich fliegen. Sie schwebte über die Obstplantagen, stieg hà¶her, über den Fluss bis zum Monte Alba, dessen blendend weiàŸe Felswand aus der Nà¤he zerklüftet aussah. Sie sah, wie Mà¤nner Kisten den Abhang hinuntertrugen. Da wurde es ihr auch klarer: Sie konnte solche Kisten, an denen sich die Mà¤nner abschleppten, spielend heben, ebenso, wie sie Urwaldbà¤ume ausreiàŸen konnte. Sie flog noch hà¶her, über den Gipfel des Monte Alba, sah das weite Land, das nicht mehr ihren Eltern gehà¶rte und am Horizont das Meer. Der riesige Palast ihrer Eltern sah aus dieser Entfernung aus wie ein Spielzeughà¤uschen und die Menschen waren gar nicht mehr zu erkennen. Doch, wenn sie sich genau konzentrierte. Jetzt sah sie sogar Gesichter. Dann plà¶tzlich sah sie nur noch die Landschaft, ohne Einzelheiten. Sie zog ihre Flügel parallel und sauste auf den Palast zu. Da hà¶rte sie plà¶tzlich etwas. Damit hatte sie nicht gerechnet. "žWas machst du da?", hà¶rte sie die strenge Stimme ihres Vaters. Wie aus dem Nichts tauchte er plà¶tzlich neben ihr auf. Auch er hatte Flügel, auch er flog. Da war auch die Mutter bei ihm. Maria versuchte auszuweichen, doch der Vater war schneller und packte sie am Arm. "žIch denke, wir fliegen jetzt einmal in unser Wasserschloss unten am Fluss. Dort ist zurzeit niemand und dort kà¶nnen wir einiges klà¤ren", sagte er. Er lieàŸ Maria los, doch die hatte keine andere Wahl als zwischen ihren Eltern herzufliegen. Das Tor des Wasserschlosses à¶ffnete sich. Der Vater landete und trat ein. Maria wunderte sich ein bisschen, weil niemand da zu sein schien, der es geà¶ffnet hatte. Sie gingen in die Halle und setzten sich an einen Tisch. "žWas hab ich gemacht? Darf ich nicht fliegen?", fragte Maria verwundert, als sie die strengen Gesichter der Eltern sah. "žDu darfst fliegen, aber du musst Eines wissen: Die wenigsten Menschen kà¶nnen es. Du hast gemerkt, dass Lola es nicht kann - und die Arbeiter auch nicht", sagte die Mutter. Maria nickte. Die überraschten Gesichter der Arbeiter hatte sie noch im Kopf. "žWir müssen ihr alles erzà¤hlen", sagte der Vater zur Mutter. Die nickte und sprach: "žUnsere Vorfahren kommen nicht von der Erde. Du weiàŸt ja, es gibt noch viele, viele andere Sterne. Unsere Vorfahren kommen von einem Stern, der "žder Schwarze Planet" heiàŸt." Maria saàŸ mit offenem Mund da. "žEinst nahmen unsere Vorfahren die Gestalt der Menschen der Erde an", führte der Vater fort. "žSie flogen hierher, auf die Erde und stellten fest, dass sie hier die besten Bedingungen hatten. Diese Sonne tat ihnen gut und die Menschen waren ihnen bei weitem unterlegen - in Allem. Sie nahmen Land in Besitz und tà¶teten Menschen. Sie hà¤tten leicht Herrscher der Erde werden kà¶nnen." "žGibt es also noch mehr Leute wie uns?", fragte Maria. "žDas ist eben das Problem", antwortete die Mutter. "žSie waren viel stà¤rker, manche schà¤tzen, eine Million mal - das heiàŸt tausendmal tausendmal - stà¤rker als die Menschen, sie konnten fliegen und nichts auf der Welt konnte sie verletzen, aber wie auf dem Schwarzen Planeten war auch hier unser Fluch, dass wir manchmal die Kontrolle über uns verlieren. "žWas heiàŸt das?" "žPlà¶tzlich drehen wir durch und tà¶ten aus purem Vergnügen Menschen. Und weil die Menschen nicht genug Widerstand boten, tà¶teten unsere Vorfahren sich gegenseitig", sagte der Vater traurig. "žAlle meine Brüder sind bei solchen Kà¤mpfen gestorben und ich bezweifle, dass es auàŸer uns reinblütige Schwarzplanetarier auf der Erde gibt - alle, von denen ich weiàŸ, sind tot. Deshalb haben wir, deine Mutter und ich, uns entschlossen, auf unsere Krà¤fte zu verzichten, soweit es geht. Wir sind beide heute zum ersten Mal seit Jahren geflogen, als wir dich fliegen sahen..." "žDas ist nicht wahr, Pedro!", unterbrach die Mutter. "žDu fliegst jedes Mal, wenn du merkst, dass es dich erwischt, ins All hinaus. Und ich auch. Und du, meine Liebe, sollst eines wissen: Wir wollen, dass du nicht eines Tages ausrastest. Und deshalb müssen wir aufpassen. Hattest du schon einmal das Gefühl, dass du irgendwas kaputtschlagen wolltest?" Maria schüttelte den Kopf. "žDu kannst hier fast alles zerstà¶ren! Deshalb: Pass auf dich auf!", ermahnte die Mutter. "žUnd es muss nicht jeder wissen, mit wem er es zu tun hat. Es gibt Sagen über unsere Vorfahren, auch wenn wir die genauen Erinnerungen gelà¶scht haben. Lola weiàŸ Bescheid, wer wir sind, aber die wenigsten anderen. Deshalb schau, dass du nicht allzu auffà¤llig deine Krà¤fte zeigst. Flieg so hoch, dass man dich nicht genau erkennt. Du siehst trotzdem fast alles. Du siehst auch, wie stark - oder wie schwach - die Menschen sind. Zeig nicht zu genau, um wie viel du stà¤rker bist! Und eines: Sei brav und gehorche auch Lola, sonst geht mein nà¤chster Anfall noch gegen dich!" Maria nickte; sie hatte Angst; wenn stimmte, was die Mutter sagte, war diese Warnung gefà¤hrlich. "žPass auf!", sagte der Vater, stand auf und hob mit einem Finger den schweren, acht Ellen langen Eichentisch hoch. "žUnd jetzt du!" Er führe Marias Hand in die Mitte des Tisches und lieàŸ los. Maria spürte, wie der Tisch abrutschte, doch sie bekam ihn doch fest zu fassen. Sie hob ihn über ihren Kopf. "žGut! Was meinst du, wie viele Menschen nà¶tig sind, um diesen Tisch zu heben?", fragte der Vater. Maria zuckte mit den Schultern. "žAcht bis zehn! Zum Heben sage ich, nicht zum Tragen! Und schau darauf!" Er zog eine Pistole und schoss mit ihr ein Loch in den Tisch. "žDu weiàŸt, jeder Mensch ist tot, wenn ihn eine solche Kugel trifft. Und jetzt schau genau!" Er schoss sich an die Schulter. Die Kugel prallte ab und schlug in der Decke ein. Danach schoss er auf sie. Die Kugel traf Maria am Arm, riss ein Loch in ihre Bluse, prallte auf den Oberkà¶rper des Vaters zurück und von dort auf die Hüfte der Mutter, bevor sie am anderen Ende des Raumes auf den Boden sank. "žDir ist klar, wie stark du für einen Menschen bist! Also: Mà¶glichst wenige sollen es merken und niemand darf sterben - auàŸer es geht um dein Leben. Ist das klar?!" Maria nickte. Maria gehorchte ihren Eltern. Die erlaubten ihr dafür, mittags, wà¤hrend der Siesta, und abends zur Essenszeit jeweils einen Rundflug zu machen, um die Hacienda genauer kennen zu lernen. Maria sah immer mehr Arbeitsablà¤ufe und lernte, die Kraft und die Fà¤higkeiten der Menschen richtig einzuschà¤tzen. Gegenüber Lola war sie brav, doch wunderte es sie, dass Lola um vieles stà¤rker war als andere Menschen - wenn auch viel schwà¤cher als sie oder ihre Eltern. Niemand beantwortete ihr die Frage, warum es so war; die Eltern erklà¤rten, dies sei Zufall, doch Maria fiel es auf, dass Lola einen Baumstamm ohne grà¶àŸere Probleme heben konnte, an dem sich vier oder fünf krà¤ftige Mà¤nner abschleppten. Zu Marias sechstem Geburtstag kam ein Zwerg ins Haus. "žIch mà¶chte dem Frà¤ulein MaàŸ nehmen!" Sie durfte ihr neues Kleid selbst aussuchen und wà¤hlte einen rosafarbenen Stoff. Der Zwerg war nur gut eine Elle groàŸ, sodass Maria sitzen musste, damit er ihre Schultern erreichte. Sie freute sich sehr über das Kleid und erfuhr von der Mutter, welche Bewandtnis es damit hatte: "žIch habe es satt, dass du bei jedem zweiten Rundflug eine Bluse zerstà¶rst. Dieser Zwerg macht Kleider, die nicht zerreiàŸen - auch nicht, wenn du schneller fliegst als der Wind. Und das Kleid hat auàŸerdem Schlitze, durch die du deine Flügel stecken kannst." Zu Weihnachten bekam Maria einen Ring, der ebenfalls geheime Krà¤fte hatte. "žDu hast ja gemerkt, dass du durch Wà¤nde sehen kannst", erklà¤rte ihr der Vater. "žUnsere Sinne sind viel weiter entwickelt als die der Menschen, doch unser Problem ist es, dass wir zu viel auf einmal sehen. Dieser Ring ermà¶glicht es dir, deine Augen und Ohren genau auf einen Punkt zu konzentrieren. So siehst du immer, ob ein Hindernis vor dir ist, kannst aber auch dahinter sehen, wenn du willst." Tatsà¤chlich konnte Maria mit diesem Ring, wenn sie sich konzentrierte, jeden Raum des Palastes einzeln sehen. Sie konnte ihn auf Ferne einstellen und die Falten des Monte Alba sehen oder auf Nà¤he und FuàŸspuren einer Person, selbst auf Felsen, erkennen. Sie konnte sich auch auf eine Person konzentrieren, und wenn sie den Ring drehte, wanderten ihre Augen, bis sie diese Person gefunden hatte. Der verbotene Baum und der Zwergenaufstand Es war April geworden und Maria war nun sechseinhalb Jahre alt. Zehn Monate war es her, dass sie entdeckt hatte, dass sie fliegen konnte. Sie war um einiges gewachsen. Lola, die vor einem Jahr noch grà¶àŸer als sie gewesen war, reichte ihr gerade noch bis zur Nasenspitze und auch viele Mà¤nner, die auf den Là¤ndereien arbeiteten, waren bereits kleiner als sie. Ihrer Mutter reichte sie bereits fast bis zur Brust und auch ihrem Vater deutlich über Bauchhà¶he. Die Eltern legten Wert darauf, dass sie viel lernte. Maria besaàŸ viele Bücher und las manchmal eines oder mehr an einem Tag. Sie konnte bereits in zehn Sekunden eine Seite lesen, ebenso schnell wie Lola. Sie spielte aber auch gerne Federball mit dem Dienstmà¤dchen. Lola war schnell, aber Maria war schneller und hatte bessere Reaktionen. Nur selten musste sie fliegen, um einen Ball zu erwischen und meist machte Lola hà¶chstens drei bis vier Punkte je Satz. Was Maria aber immer noch am liebsten tat, war, über den Là¤ndereien herumzufliegen und mittels ihrer scharfen Augen und Ohren, die sie noch aus mehreren Meilen Hà¶he jedes Detail sehen und jedes Wort verstehen lieàŸen, den Menschen bei ihren Tà¤tigkeiten zuzuschauen. Là¤ngst à¤rgerte sie nicht mehr Lola damit, dass sie fliegen konnte. Wenn sie fangen spielten, verzichtete sie freiwillig darauf, ebenso wie sie, wenn Lola sich versteckte, bewusst nicht durch die Wà¤nde schaute. Beinahe hà¤tte sie Lolas Kraft vergessen, doch dann geschah es mehr zufà¤llig, dass sie daran erinnert wurde: Auf einem ihrer Rundflüge sah sie einen Steinmetz, der eine Statue ihres Vaters baute. Der muskulà¶se Mann schwitzte und schlug lange mit dem Hammer auf die Blà¶cke, bis die Gesichtszüge sichtbar waren. "šWarum nicht eine Statue von mir machen?' dachte sich das Mà¤dchen und flog zum Monte Alba. Dort nahm sie einen der riesigen Felsblà¶cke und trug ihn zum Fluss, wo sie ihr Spiegelbild in Wasser sehen konnte. Sie schlug mit der Hand auf den Stein, doch der zerbrach unter ihrer Kraft. Mist! Sie holte einen neuen Steinblock und flog diesmal zurück zum Palast, denn die Siesta war zu Ende. Sie sah Lola vor dem Hauptgebà¤ude sitzen und sagte: "žSchau, ich mach eine Statue von mir!" Sie begann zu arbeiten und der Stein brach wieder. "žWenn er heiàŸ ist, geht es besser, Frà¤ulein Maria!", warf Lola ein, rieb das abgebrochene Stück mit den Hà¤nden und drückte es wieder auf den Block. Maria wà¤rmte den Stein ebenfalls mit der Hand formte den Granitblock ebenso leicht wie andere Kinder Knetgummi. Nach einer halben Stunde glitzerte eine lebensgroàŸe Statue hell. "žToll gemacht!", lobte Lola. "žWo stellen wir sie hin?" "žVielleicht zum Brunnen! Dort stehen schon andere und da kann man sie gut von der Terrasse aus sehen", schlug Maria vor. "žIch glaub, das ist zu weit. Lass versuchen!", sagte Lola und trug die Statue dorthin. Im inneren Park hatte niemand, der nicht zur Familie gehà¶rte, etwas zu suchen und so riskierten sie nicht, gesehen zu werden. Die Statue war zwar kleiner als die anderen Figuren am Brunnen, da sie aber hell leuchtete, weil der Granit in Marias Hà¤nden, die weit hà¤rter als Diamant waren, zu einer glà¤nzenden Masse geworden war, erkannte man sie trotzdem von der Terrasse aus deutlich. Am nà¤chsten Tag beobachtete Maria zufà¤llig, wie einige Mà¤nner eine Figur, die repariert werden sollte, auf einen Wagen hoben. Die Figur war etwas grà¶àŸer als ihr Selbstbildnis und sechs Mà¤nner stà¶hnten unter der Last. Wie konnte Lola eine solche Figur alleine tragen? Lola war doch kein Kind des Schwarzen Planeten wie sie, oder doch? Als sie Lola fragte, antwortete die, dass sie keine übermenschlichen Krà¤fte hatte. "žJa, ich weiàŸ, ich bin ziemlich stark für ein Mà¤dchen. Aber du weiàŸt doch selbst, dass ich viel, viel schwà¤cher bin als du oder deine Eltern." Maria wusste nicht genau, ob Lola log, aber sie beschloss, genauer auf sie zu schauen. Bisher war es Maria egal gewesen, was Lola tat, wenn sie nicht bei ihr war. Nun aber richtete sie tà¤glich mehrmals ihren Suchblick auf Lola und wurde schlieàŸlich abends einmal fündig. Es war nach dem Abendessen und eigentlich sollte Maria là¤ngst im Bett sein. Sie saàŸ in ihrem Zimmer und schaute hinaus. Da entdeckte sie plà¶tzlich Lolas FuàŸspuren. Die waren frisch, wenn sie sich nicht tà¤uschte. Maria konzentrierte sich auf Lola und in Zehntelsekunden hatte sie sie. Lola ging allein einen Weg in Richtung Wald entlang. Sie betrat nun den Wald, der um diese Zeit stockdunkel und vier Meilen entfernt war, doch Marias Augen konnten nicht nur auf eine Entfernung von vier Meilen dieselben Einzelheiten erkennen wie direkt vor sich, sie konnten sich auch innerhalb von Tausendstelsekunden an das Dunkel gewà¶hnen. Sie sah, dass Lola sich umdrehte und stehen blieb. Dann horchte sie. Offenbar wollte das Mà¤dchen nicht erkannt werden. Natürlich ahnte sie nicht, dass sie aus einer Entfernung beobachtet wurde, in der sie selbst nicht einmal einen Menschen gesehen, geschweige denn erkannt hà¤tte. Lola kam an eine Lichtung und Maria erkannte, dass die Lichtung ummauert war. Warum war ihr das bisher nie aufgefallen? Sie hatte sich doch sonst jedes Detail aus der Luft angeschaut. Lola sperrte eine Tür auf und trat auf die Lichtung, in deren Mitte einzelne Bà¤ume standen. Sie schüttelte einen davon, aàŸ von den Früchten und ging zurück. Was für ein geheimnisvoller Baum mochte das sein, dass er auf einer abgesperrten Lichtung stand und Lola nachts dorthin ging? Sollte sie fragen? Nein, dachte Maria, Lola würde doch nicht die Wahrheit sagen. Sie wartete, bis Lola nach einer quà¤lend langen Viertelstunde wieder vor dem Palast auftauchte. Nun war es stockdunkel. Maria zog ihr unzerstà¶rbares Kleid an, à¶ffnete leise ihr Zimmerfenster und flog hinaus. Selbst wenn Lola nach oben geschaut hà¤tte, wà¤re ihr nichts aufgefallen, denn es war für gewà¶hnliche Augen viel zu dunkel und Maria war in kürzester Zeit so hoch aufgestiegen, dass selbst ein Adlerauge Schwierigkeiten gehabt hà¤tte, sie zu erkennen. Ein Adlerauge vielleicht - aber ihre Eltern hatten sicher ebenso gute Augen wie sie selbst! Vorsichtshalber schaute Maria nach unten und durch die Dà¤cher in die Gemà¤cher ihrer Eltern. Die saàŸen ruhig am Tisch, lasen und lieàŸen sich nichts anmerken. Maria fasste ihr Ziel ins Auge und flog direkt darauf zu. In weniger als einer Sekunde war sie am Ziel. Selbst wenn Lola oder die Mutter nach ihr schauen sollten, in einer Minute konnte sie wieder brav im Bett liegen. Maria hatte das Knallen, als sie die Schallmauer durchbrach, gar nicht wahrgenommen, so sehr war sie auf die geheimnisvollen Bà¤ume fixiert. Gerade als sie zur Mauer kam, die noch in der letzten Baumreihe stand, sodass sie auch von oben schwer sichtbar war, wurde sie von einer unsichtbaren Kraft gebremst. Sie beschleunigte erneut und spürte, wie sie festgehalten wurde. Schemenhaft erkannte sie eine Gestalt hinter sich und sah, wie diese immer besser sichtbar wurde: Ihr Vater war ihr gefolgt. -- "žWas suchst du hier um diese Zeit?", fragte er streng. -- "žIch dachte... ich meine.... Lola war doch da - und warum sind diese Bà¤ume ummauert?" -- "žDas erklà¤re ich dir spà¤ter. Jetzt kommst du mit. Und merk dir: Hier hast du nichts verloren!" -- "žWarum?" - "žWeil ich es dir verbiete!" -- "žAber das andere Obst darf ich doch auch essen." Der Vater holte tief Luft und eine Stichflamme schoss aus seinem Mund empor. Er schaute in Richtung Palast. Maria schaute in dieselbe Richtung und erkannte, dass ihre Mutter ein Zeichen gab. -- "žFliegen wir zurück, dann erklà¤re ich dir alles!" -- "žKrieg ich dann was von den Früchten?" -- "žNein. Und nachher wirst du verstehen warum." Der Ton lieàŸ keine Widerrede zu. Sie folgte ihrem Vater und beide landeten eine Sekunde spà¤ter im Salon, wo die Mutter auf sie wartete. "žSetz dich!", forderte die Mutter Maria überraschend freundlich auf. Maria gehorchte. Die Eltern sahen sich gegenseitig an. Dann begann der Vater. -- "žLola hat uns erzà¤hlt, dass du wieder nach dem Grund ihrer Kraft gefragt hast. Diese Früchte machen Menschen etwa tausendmal stà¤rker - allerdings nur für kurze Zeit." --"žUnd ich soll nicht stà¤rker sein als Lola?!", platzte Maria heraus. -- "žVor allem sollst du mich nicht unterbrechen. Bei uns wirken die Früchte weit weniger stark, dafür haben sie eine Nebenwirkung, den so genannten Kraftschock." -- "žWas ist das?" -- "žWir haben dir ja erzà¤hlt, dass es Momente gibt, in denen wir die Kontrolle über uns selbst verlieren. Und dies ist vor allem dann der Fall, wenn unsere Kraft plà¶tzlich steigt. Das kann passieren, wenn wir Menschenfleisch essen - was wir ohnehin nicht tun, aber unsere Vorfahren taten - und wenn wir von diesen Früchten essen. Du würdest vielleicht zehnmal stà¤rker als vorher - jedenfalls im Verhà¤ltnis zu dem, was du stà¤rker bist als die Menschen, einschlieàŸlich Lola, nicht der Rede wert - aber womà¶glich plà¶tzlich aus SpaàŸ hundert Menschen tà¶ten - oder sogar uns angreifen." -- "žDas gibt es doch nicht!" -- "žIch habe es erlebt, wie mein Bruder meinen Vater umgebracht hat", sagte die Mutter ernst. "žMaria, das ist kein SpaàŸ. Dazu kommt, dass du noch mehr übermenschliche Fà¤higkeiten hast als du bisher weiàŸt." "žFeuer spucken?!"; erinnerte sich Maria an die Szene im Wald. "žZum Beispiel!", antwortete der Vater. "žDu kannst Feuer spucken, aber auch mit eiskalter Puste alles gefrieren lassen. Auch aus deinen Augen und deinen Hà¤nden kann Energie austreten. Normalerweise kannst du das nur, wenn du es willst - und eine kleine Stichflamme, die du in die Luft blà¤st, ist nicht wirklich gefà¤hrlich. Bei einem Kraftschock - das ist mir selbst einmal so gegangen - verbrennst du plà¶tzlich ein ganzes Waldstück, ohne es zu merken. Und deshalb: Finger weg von diesen Früchten!" Maria bekam wirklich Angst vor dem, was ihre Eltern erzà¤hlten. So mied sie die Lichtung mit den Bà¤umen, an denen die geheimnisvollen Früchte wuchsen. Sie sah nur gelegentlich, wer auàŸer Lola noch davon essen durfte: Nur die persà¶nlichen Wachen ihrer Eltern. Andere Arbeiter bekamen nur sehr selten etwas davon ins Essen gemischt, wenn Transporte oder Holzarbeiten schnell erledigt werden mussten. Tief im Urwald testete sie einmal ihren Feueratem. Zehn ergebnislose Versuche waren nà¶tig, bis eine Flamme kam. Obwohl sie nach oben geblasen hatte, fing ein Baum zu brennen an. Zuerst war Maria erschrocken, doch dann kam ihr der Gedanke, dass sie das Feuer ja vielleicht ausblasen konnte, was ihr auch tatsà¤chlich gelang. Nach einigen Tagen hatte sie den Feueratem genau so im Griff wie sie sich auf der Erde und in der Luft problemlos bewegen konnte. Monate spà¤ter, es war kurz vor ihrem siebten Geburtstag, versuchte sie es doch noch einmal, zu den verbotenen Bà¤umen zu kommen, doch wieder wurde sie von ihrem Vater erwischt. Dieses Mal gab es eine Ohrfeige, ebenso, als sie es zum dritten Mal versuchte. Aus irgendeinem Grund schien entweder ihr Vater oder ihre Mutter stà¤ndig dorthin zu schauen, so dass sie keine Chance hatte. Sie müsste unsichtbar sein. - Unsichtbar? Sie hatte den Eindruck, ihre Eltern konnten sich unsichtbar machen. Wenn sie erwischt wurde, sah sie immer zuerst nur Konturen in der Luft. Sie sah auch manchmal Flugspuren in Richtung Monte Alba, die nicht von ihr stammten, doch sie sah dort niemanden. Was gab es dort überhaupt zu sehen? Gab es noch Dinge hinter dem Monte Alba? Sie stellte eines Tages ihren Blick auf Fernsicht und erkannte, dass sich dort menschliche Wesen bewegten. Nein, die waren noch kleiner als normale Menschen. Das waren Zwerge, so wie der Mann, der ihr MaàŸ für ihre Flugkleider nahm. Zum siebten Geburtstag sollte es wieder ein neues geben, denn seit dem sechsten Geburtstag war sie immerhin vier Zoll oder, wie man neuerdings sagte, zehn Zentimeter gewachsen und das alte Flugkleid war nun wirklich zu kurz. Maria flog in Richtung Monte Alba und untersuchte den Berg genau. Mit ihren Rà¶ntgenaugen stellte sie fest, dass es darin von Zwergen wimmelte. Sie war sich nicht sicher, was diese dort taten. Als sie über den Gipfel stieg, um auf der anderen Seite nachzuschauen, wurde sie wieder einmal festgehalten - diesmal von ihrer Mutter, wie sie auch wieder erst allmà¤hlich erkannte. "žHier geht es nicht weiter, kleines Frà¤ulein!" Diesmal erklà¤rte ihr niemand das Verbot, was sie nur noch neugieriger machte. Jedes Mal, wenn sie auf den Berg kam, wurde sie erwischt - klar, es war auch der hà¶chste Punkt in einem Umkreis von Tausenden von Meilen, doch erst eine Woche Hausarrest stoppte ihren Erkundungsdrang für drei Monate. Es war kurz vor Weihnachten, als sie sich wieder traute, über den Monte Alba zu fliegen. Diesmal kam sie ungehindert auf die andere Seite. Dort war eine riesige Steppenlandschaft und Maria musste sich anstrengen, um mit ihrem Teleskopblick bewohnte Siedlungen am anderen Ende der Steppe zu erkennen. Dafür ging es am Berg umso lebhafter zu: Maria hà¶rte ein Schwirren wie von Insekten und als sie genauer hinsah, entdeckte sie die Konturen von fliegenden Zwergen. Da krachte es auch schon. Kaum sichtbare Kugeln schlugen aus allen Richtungen gegen ihren Kopf, ihren Bauch und ihre Beine und prallten wieder zurück. Es tat weh, wie wenn jemand von einem Gummi getroffen wird. Und plà¶tzlich waren es Tausende dieser juckenden Geschosse. "žLasst mich in Frieden!", befahl sie, doch die Antwort war eine neue Salve. Da ging sie zum Gegenangriff über: Sie flog in die Wolke aus unsichtbaren Zwergen, so dass diese zerrissen wie Wattestücke. Als einige andere schossen, offensichtlich mit grà¶àŸeren Geschützen, blies sie ihnen ihren Feueratem entgegen, sodass einige verbrannten. Die wenigen, die blieben, flüchteten zum Berg hin. Plà¶tzlich hob sich ein Felsblock - Maria hatte, selbst mit ihrem Mikroskopblick, keine Tür in der Felswand gesehen - und die Zwerge gelangten hinein. Sie wurde immer neugieriger. Wie konnten Zwerge einen so riesigen Felsen heben? Sie wusste doch, wie schwach Menschen waren. Sie flog ihrerseits zu dem Felsen, suchte nach einem Griff und hob ihn hoch. Der Felsen wog schwer in ihrer Hand, doch sie konnte ihn beiseite heben. Hinter dem Felsen lag eine ganze Reihe von Hà¶hlen. Die grà¶àŸte war etwa drei Ellen, die kleinsten nur wenig über eineinhalb Ellen hoch. Aus fast allen wurde der Eindringling beschossen, diesmal mit etwas flüssigem, das brannte wie Brennnesseln - oder wie Brennnesseln einen normalen Menschen gebrannt hà¤tten. Maria blies Feuer in eine Hà¶hle, auf eine andere richtete sie ihre Augen, sodass von ihnen ein heller Strahl ausging. Mehrere spitze Schreie sagten ihr, dass es Tote gab. "žHà¶rt auf zu schieàŸen, dann passiert euch nichts!", befahl sie. "žWer schieàŸt, ist tot! Das ist kein SpaàŸ mehr." Aus jeder Hà¶hle liefen oder flogen Zwerge heraus und hoben die Hà¤nde hoch. Sie hà¶rte nun nur noch einen Schrei. "žHerrin, hilf uns!", piepste jemand. Maria schaute in die Richtung, aus der sie den Schrei hà¶rte. Mit ihrem Rà¶ntgenblick sah sie durch die Felswà¤nde. Am Ende einer Hà¶hle war jemand gefangen. Sie flog durch die Hà¶hle; es war eine der Kleineren und Maria riss im Flug die Felswà¤nde mit wie ein Mensch, der durch eine Papierwand geht. Nur der Là¤rm zeigte die Hà¤rte der Steine an. Erst nach etwa hundert Ellen spürte sie Widerstand. Etwa zwei Ellen von sich entfernt sah sie einen alten Zwerg mit Bart, der mit silbrig glà¤nzenden Fà¤den gefesselt war. Sie kroch in die Hà¶hle, zerriss die Fà¤den, holte den Zwerg heraus und stellte ihn vor sich auf den Boden. Er war selbst für einen Zwerg nicht groàŸ und reichte ihr nur bis knapp über die Knie. "žVielen Dank, junge Herrin! Das werde ich Ihnen nie vergessen!", piepste er. Maria sah sich um. Manche Hà¶hlen waren regelrecht zu Wohnungen ausgebaut und glà¤nzten vor dem Gold und Silber, aus dem ihre Mà¶bel bestanden. Die Zwerge, von denen viele ihre Furcht verloren hatten, standen neugierig um sie. Der alte Zwerg befahl etwas und alle sanken auf die Knie. Was war hier los? "žJunge Herrin", piepste der bà¤rtige Zwerg, "žIch bin der groàŸe Zauberer Tejuscha, der Herr dieser Hà¶hle. Ihr Herr Vater hat uns vor Jahren besiegt - ich nehme an, Sie sind die Tochter des Herren über dem Fluss, denn kein Mensch sonst kann fliegen oder hat eine so groàŸe Kraft wie Sie. Wir schmieden hier Kleidung und Schmuck und viele Dinge, die Sie sehen, haben Zauberkraft. So auch die Zaubergürtel, die unsere Kraft vervielfachen. Auch der Ring an Ihrer rechten Hand ist von uns. Rebellen haben mich gestürzt. Ich habe ihnen nachgegeben und die Kraftgürtel, die Ihr Vater bestellt hatte, an meine Leute verteilt und das ist der Dank. Sie wollten frei werden - nicht mehr Ihnen dienen." "žDas muss mein Vater erfahren!" "žJunge Herrin, bitte, nur das nicht! Sie kà¶nnen alle Rebellenführer tà¶ten, wenn Sie wollen, aber Ihr Vater darf nicht wissen, dass wir diese Hà¶hlen verlassen kà¶nnen. Sie kà¶nnen eine Belohnung von mir verlangen, aber bitte, bitte verraten Sie mich nicht." Maria überlegte kurz. Dann fiel ihr etwas ein: "žStimmt es, dass mein Vater sich unsichtbar machen kann?" "žJa", antwortete der Zauberer. "žUnd Ihre Mutter auch. Die Unsichtbarkeit ist eine unserer à¤ltesten Erfindungen." -- "žIch mà¶chte mich auch unsichtbar machen kà¶nnen. Auch vor meinen Eltern." -- "žDas wird schwierig, da Ihre Augen so viel besser sind als die der Menschen. Aber ich werde es versuchen. Und jetzt, bitte ich alle zum Treueschwur. Wehe, jemand lügt. Ich habe den Wahrheitszauber aktiviert." Er wiederholte den Satz in der Zwergensprache. Tausende und Abertausende traten vor und schworen, nur wenige weigerten sich, legten ihm ihre Mà¤ntel und Silbergürtel vor die FüàŸe und sprangen den Felsen hinab. Maria erschrak, als sie die Selbstmorde sah. "žLasst es!", befahl sie. Die Wirkung hatte sie nicht vorhergesehen. Hunderttausende knieten vor ihr nieder. "žSie sind sehr gnà¤dig! Ihr Vater hat bei jedem Anzeichen von Widerstand Hunderte tà¶ten lassen oder selbst getà¶tet." Das konnte Maria nicht glauben. "žMein Vater hasst es, wenn man seine Kraft missbraucht, um Unschuldige zu tà¶ten", widersprach sie. "žEr tà¶tet nicht aus purem Vergnügen, das ist richtig. Und er belohnt uns für Gehorsam. Aber dennoch sind wir für ihn Sklaven und wer ihm nicht gehorcht ist tot. Und deshalb war es so gefà¤hrlich, die Hà¶hle zu verlassen", sagte der Priester. "žNun kann ich Ihnen auch etwas sagen: Die silbernen Gürtel verleihen das Tausendfache an Kraft. Ein Zwerg ist mit diesem Gürtel so stark wie hundert Menschen und kann mittels des Flugmantels fliegen. Einen solchen Gürtel und einen solchen Mantel sollte Ihr Kindermà¤dchen bekommen, um besser auf Sie aufpassen zu kà¶nnen!" Lola hatte schon tausendmal so viel Kraft wie normale Menschen, mit diesem Gürtel... "žWà¤re sie dann stà¤rker als ich?" "žIch weiàŸ es nicht. Vieles wirkt auf Menschen anders als auf Zwerge. Wahrscheinlich hà¶chstens gleich stark." Maria entschloss sich, aufzupassen. Sollte Lola demnà¤chst einen silbernen Gürtel tragen, wusste sie Bescheid. Sie verabschiedete sich und forderte noch einmal mit Nachdruck die Unsichtbarkeit. Hat dir die Geschichte gefallen? Hast du Vorschlà¤ge, wie es weitergehen soll? Schreib mir eine Mail: